Universität Hohenheim und LTZ Augustenberg untersuchen Asiatischen Laubholzbockkäfer und andere eingeschleppte potenzielle Schadinsekten
Die Gefahr lauert im Holz von Paletten oder Kisten aus fernen Ländern: Invasive Käferarten können in Deutschland massive Schäden verursachen. Die Pflanzenschutzdienste kontrollieren solche Import-Sendungen, doch sie haben ein Problem: Es gibt noch keine geeigneten Bestimmungshilfen. Zudem ist über die Tiere oft nur sehr wenig bekannt. Abhilfe verspricht jetzt ein Projekt der Universität Hohenheim in Stuttgart und des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg. Die Forscher rufen dazu auf, Funde des Asiatischen Laubholzbockkäfers und anderer aus Import-Sendungen stammende Käfer an sie zu melden und ihnen die Tiere möglichst unbeschädigt zuzusenden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) das Vorhaben in Hohenheim mit fast 327.000 Euro und macht es damit zu einem Schwergewicht der Forschung.
Er misst nur wenige Zentimeter, sieht hübsch aus – und kann ganze Dörfer in einen Ausnahmezustand versetzen: Der Asiatische Laubholzbockkäfer gilt als gefährlicher Eindringling. Nicht ohne Grund, denn der Käfer kann kerngesunde Bäume zum Absterben bringen. Wie 2016 in Hildrizhausen rückt man ihm daher rund um die Befallsstellen mit Suchtrupps und Spürhunden zu Leibe. Fällungen aller in einer EU-Richtlinie spezifizierten Laubbäume im Umkreis von 100 Metern – auch in Privatgärten – sollen den flugfaulen Quarantäneschädling aufhalten.
Das ist sehr aufwändig und teuer. „Es stellt sich die Frage, ob ein solches Vorgehen den Käfer langfristig tatsächlich stoppen kann“, gibt Prof. Dr. Martin Hasselmann, Leiter des Fachgebiets Populationsgenomik bei Nutztieren an der Universität Hohenheim, zu bedenken. „Doch um das zu beurteilen, müssen wir mehr über die Tiere wissen – und nicht zuletzt auch eine genaue Artenbestimmung ermöglichen.“
Gemeinsam mit dem Kollegen Dr. Olaf Zimmermann vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) und dem Hohenheimer Entomologen Prof. Dr. Claus Zebitz arbeitet das Team um Prof. Dr. Hasselmann daher an neuen, schnelleren Bestimmungsverfahren für die Käfer.
Genetische Unterschiede geben Aufschluss über die Herkunft
Der nahliegende Verdacht der Forscher: Über Verpackungsholz gelangen die Schädlinge nach Europa. „Doch ob hier bereits eine Population etabliert ist, die sich selbstständig ausbreitet, oder ob die verschiedenen Fundstellen unabhängig voneinander eingeschleppt wurden, das wissen wir nicht“, bedauert Iris Häußermann, Doktorandin an der Universität Hohenheim.
Um diese Fragen zu klären kommt den Forschern zugute, dass das Erbgut des Laubholzbockkäfers bereits bekannt ist. Nun sammeln sie genetisches Material von allen Fundstellen in Deutschland und ergänzen es mit Proben aus Museen, von Hobby-Entomologen und aus der ostasiatischen Heimat der Tiere.
„Wir vergleichen das Material und können so feststellen, woher genau die Käfer ursprünglich kommen. Und wir untersuchen, ob die Tiere von verschiedenen Fundstellen miteinander verwandt sind – was auf eine selbstständige Ausbreitung hindeuten würde“, erklärt Prof. Dr. Hasselmann. Mit diesen Erkenntnissen wollen die Wissenschaftler dann gezieltere Gegen- und Präventivmaßnahmen beim Import ermöglichen. „Das spart Monitoringkosten und sichert den Bekämpfungserfolg.“
Bestimmungsschlüssel für über 100 Käferarten an Verpackungsholz
Der Asiatische Laubholzbockkäfer ist zwar ein recht prominenter Vertreter der invasiven Arten, doch bei weitem nicht der einzige. „Unsere Vorgehensweise beim Laubholzbockkäfer lässt sich auf andere Arten übertragen“, betont Prof. Dr. Hasselmann. „Es gibt im Importholz viele weitere, wirtschaftlich schädliche Käferarten, die weltweit jährlich Schäden in Millionenhöhe anrichten.“
Doch Bock-, Bohr- und Splintholzkäfer seien bei den Kontrollen oft nur schwer zu identifizieren. „Es fehlen uns genaue Bestimmungsschlüssel. Und häufig findet man auch zum Beispiel nur zerquetschte Larven, die man gar nicht mehr unter dem Mikroskop erkennen kann“, gibt Dr. Zimmermann vom LTZ Augustenberg zu bedenken.
Für über 100 dieser Arten trägt das Projektteam nun Daten und Informationen aus aller Welt zusammen, um eine frei zugängliche Datenbank aufzubauen. Sie soll die mikroskopischen Merkmale der Käfer und ihre genetischen Daten enthalten. Daran arbeitet Philipp Bauer, der zweite Doktorand an der Universität Hohenheim und dem LTZ, im Rahmen dieses Projektes. Das Ziel der Forscher: Einerseits ein Bestimmungsschlüssel, der auf den äußeren Merkmalen der Tiere basiert, und zum anderen eine Methode, bei der über sogenannte genetische Marker, also über das Erbgut, die Identifizierung erfolgt.
Forscher erbitten Fundmeldungen des Asiatischen Laubholzbockkäfers
Am Ende des Projektes will das Team die Ergebnisse den Pflanzenschutzdiensten und anderen Dienstleistern online und in gedruckter Form frei zur Verfügung stellen. Geplant sind außerdem Workshops zur Praktikerschulung. „Denn das Problem wird in Zeiten des Klimawandels und der Globalisierung in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch zunehmen“, betont Prof. Dr. Hasselmann. „Eine sichere und schnelle Bestimmung der Arten ist sehr wichtig, um rasch Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.“
Bis dahin sind die Forscher für alle Meldungen von Funden oder Befallsorten des Asiatischen Laubholzbockkäfers dankbar: Sie können per E-Mail unter PHID-Coleo@ltz.bwl.de oder telefonisch unter 0721 9468-0 gemeldet werden. Um auch die praktische Arbeit der Forscher zu unterstützen, sollten die Tiere und weitere verdächtige Käfer aus Verpackungsholz möglichst unbeschädigt an Dr. Zimmermann im LTZ gesendet werden.
Das Projekt „Morphologisch-molekulare Identifikation von Käferarten an Verpackungsholz im Bereich der Pflanzengesundheit (PHID-Coleo)“ startete am 15.6.2017 und hat eine Laufzeit bis 14.6.2020. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert es durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als Projektträger mit 326.959 Euro für die Universität Hohenheim und 51.623 Euro für den Projektpartner, das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (LTZ).