Kieselkunst mit alten Techniken

29. August 2016

Jeder Kiesel ist ein Unikat und hält zudem viel aus. Je kleiner die Flusskiesel,  desto dekorativer ist der Belag und umso bequemer wird das das Begehen der Fläche. Doch das Setzen der Kiesel ist eine Kunst und der große Aufwand macht die Sache nicht zu einem Schnäppchen. Robert Sikorski hat sich mit seiner Firma Steinkunst Sikorski (35792 Löhnberg) auf Naturstein-Pflasterungen spezialisiert.

„Es gibt einen Trend ‚back to the roots‘. Das gilt auch für Kiesel-Arbeiten. Allerdings nicht großflächig, sondern eher als einzelne Elemente und Blickfang.“ Robert Sikorski, Löhnberg
„Es gibt einen Trend ‚back to the roots‘. Das gilt auch für Kiesel-Arbeiten. Allerdings nicht großflächig, sondern eher als einzelne Elemente und Blickfang.“ Robert Sikorski, Löhnberg

Mit seinem Bruder, der zugleich Partner im Betrieb ist, fertigt Sikorski auch moderne Bodenbeläge. Am liebsten aber sind ihm historische Arbeiten. Dazu nimmt er alte Vorlagen und verbindet sie dort, wo es sinnvoll ist, mit den modernen Gegebenheiten. Er übernimmt Formen und Motive von früher und benutzt vor allem die originalen Techniken. Er kombiniert zwar manchmal verschiedene Techniken – will aber nicht, dass bei dieser Mischung eine Willkür entsteht, die das Ganze beliebig macht.

Akzente setzen

Wenn er mit Flusskiesel arbeitet, setzt er meist Akzente, weil die Kiesel durch ihr erdiges Farbspiel, ihre lebendige Struktur und die unregelmäßigen Konturen jedem Garten und jedem Boden eine besondere Note geben. Pauschale Lösungen gibt es dabei nicht: Er schaut sich einen Platz an – und „zu 99,9 Prozent ist da plötzlich eine Idee, ein Bild“ von dem, was passt und machbar ist. Ein Kunde hatte zum Beispiel ein sehr modernes, kantiges Haus und wünschte sich eine Natursteinmauer und irgendeinen weiteren, besonderen Akzent: Sikorski legte ihm ein einziges Blumenornament aus Kiesel, weil in diesem Fall „Firlefanz nicht gepasst hätte und weil an dieser Stelle wenig gleich viel war“.

Die Arbeit eines Kollegen von Sikorski, bei der läng‧liche Kiesel stehend und als Rahmen runde Kiesel verwendet wurden.
Die Arbeit eines Kollegen von Sikorski, bei der läng‧liche Kiesel stehend und als Rahmen runde Kiesel verwendet wurden.

Historische Pflasterungen sind im Kommen

Das Auftragsbuch ist gut gefüllt, weil historische Pflasterungen seit ein paar Jahren im Kommen sind. Es gibt einen Trend „back to the roots“, sagt Sikorski. Das gilt auch für Kiesel-Arbeiten. Allerdings nicht großflächig, sondern eher als einzelne Elemente und Blickfang: in Gestalt kleiner Pfade und Zierstreifen durch Rasenflächen und Rabatten, als Mosaik oder Ornament zwischen Platten, als Kieselkreis hier oder Kieselblume dort.

Das Pflastern größerer Flächen mit den oft nur vier bis sechs Zentimeter großen Steinen sei schlicht zu teuer: um 100 Prozent teurer als ein normales Pflaster, schätzt Sikorski. Während er bei einem Normalpflaster einen Festpreis pro Quadratmeter berechnet, nimmt er beim Verlegen von Kiesel einen Stundenlohn, um auf seine Kosten zu kommen. Das aber macht den Preis für die Kunden weniger kalkulierbar. Große Aufträge für Kieselpflaster kommen also von Kunden, die es sich leisten können.

Von Freiburg nach Mandraki

Das war nicht immer so: In früheren Jahrhunderten wurden viele Wege und Straßen mit Kiesel bepflastert – auch deshalb, weil Kiesel überall zu finden waren und es sonst nichts gab – oder weil das die preiswerteste Variante war. Viele dieser Kleinode sind inzwischen mit anderen Steinen überpflastert, asphaltiert oder einfach weggerissen. Immerhin: In Norddeutschland finden sich heute noch etliche alte Höfe mit prächtigen Kieselstein-Einfahrten. Auch ein paar Städte haben sich ihr altes Pflaster bewahrt: Zu finden sind solche Arbeiten zum Beispiel in der Passauer Innenstadt.
In Freiburg gibt es Wege mit geschnittenen Kieselsteinen. Sie sind in ihrer Mitte geteilt und bieten so eine bequeme, weil glatte Fläche zum Gehen. Das Besondere an diesen Pflasterungen ist, dass sie mit Ornamenten geschmückt sind. Auch in Basel, Salzburg und Graz gibt es solche Beispiele – aber typisch ist ornamentale Kieselkunst für den deutschsprachigen Raum nicht. „Es gibt auch hierzulande eine Pflaster- und Kieselkunst und eine entsprechende Tradition“, sagt Sikorski. Doch im Mittelpunkt dieser Tradition habe seit jeher der Aspekt der Nützlichkeit gestanden.
Ganz anders im Süden: Die Menschen in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal legten schon immer viel Wert auf Schönheit. Darum finden sich die schönsten Beispiele historischer Kieselkunst in den Mittelmeerländern: etwa in Mandraki auf der griechischen Insel Nisyros, in Spanien in Cordoba und in den Gärten der Alhambra in Granada, in Portugal an mehreren Orten auf Madeira und in Italien auf Sardinien und in Pavia.

Große Flächen nur mit Flusskieseln zu bestücken ist aufwendig und teuer. Aber punktuell werten Kieselornamente ein normales Pflaster auf.
Große Flächen nur mit Flusskieseln zu bestücken ist aufwendig und teuer. Aber punktuell werten Kieselornamente ein normales Pflaster auf.

Grenzenlose Farbauswahl

Die Vorliebe für Ästhetik ist den Südländern bis heute geblieben, und so kennt Sikorski auch diverse neuere Beispiele von Ornamentarbeiten. Ein paar davon hat er in Italien, in der Gegend von Pisa, selbst gemacht. Mit seiner Arbeit kam er sogar weit über Italien hinaus: Sechs Wochen lang hatte er eine Baustelle in Südrussland. Doch das ist die Ausnahme.
Im Normalfall arbeitet er dort, wo er auch lebt: im Frankfurter Raum – die meisten Aufträge sind von Privatkunden. Das Material besorgt er sich vorzugsweise aus heimischen Quellen. Da deutsche Kiesel vorwiegend eine weiß-gelbliche bis grau-bräunliche Färbung haben, greift er bei ausgefalleneren Farbwünschen bisweilen auch auf andere Herkunftsregionen zurück. „Dann gibt es praktisch eine grenzenlose Farbauswahl“, sagt Sikorski.

Weil der 55-Jährige immer wieder Anfragen zu seinem Handwerk bekam, hält er seit einigen Jahren Vorträge in ganz Deutschland. Seit 2008 schreibt er auch Bücher. Fünf Titel sind schon erschienen. Ein sechstes Buch, ein Bildband, ist in Arbeit. „Und es ist noch lange nicht Schluss“: Sikorski hat schon wieder neue Ideen.
Gisela Dürselen

www.steinkunst-sikorski.de